Falsche Freunde im Internet

Wenn Sie derzeit ins Kino gehen, könnten Sie mit einer hässlichen Seite unserer digitalen Welt konfrontiert werden. Es läuft momentan der tschechische Film «Gefangen im Netz», der aufzeigt, wie Kinder und Jugendliche im Internet durch Erwachsene sexuelle Gewalt erfahren. Drei erwachsene Schauspielerinnen haben in Tschechien im Studio aufgebaute Kinderzimmer bezogen und sich als Zwölfjährige frisiert und angezogen vor den Computer gesetzt. Sehr schnell kamen in den besuchten Chats erwachsene Männer auf die vermeintlichen Mädchen zu und verwickelten sie in Gespräche, um dann entweder Nacktbilder zu verlangen, anzügliche Gespräche zu führen oder gar ein Treffen zu vereinbaren. Dieses Dokumentarfilm-Experiment hat den beteiligten Erwachsenen trotz psychologischer Betreuung einiges abverlangt. Weil die Live-Mitschnitte der Polizei übergeben wurden, kam es auch zu Dutzenden Strafprozessen.

In der Schweiz geht es Kindern und Jugendlichen diesbezüglich nicht anders als in Tschechien. Auch bei uns erleben Minderjährige im Internet Kontaktaufnahmen von Erwachsenen, die sexuelle Absichten haben. Laut der jüngsten JAMES-Studie, die letzten Dezember veröffentlicht worden ist, geben 44% der Jugendlichen in der Schweiz an, dass sie online schon von einer fremden Person mit unerwünschten sexuellen Absichten angesprochen worden sind. Fast die Hälfte der Schweizer Jugendlichen hat also schon sexuelle Belästigung im Internet erlebt.

Sexuelle Belästigung durch anzügliche Bemerkungen, indiskrete Fragen oder durch das ungefragte Zusenden von pornographischem Material ist für Kinder und Jugendliche sehr belastend. Es ist nicht einfach, eine Konversation, die freundlich begonnen hat, zu durchschauen und rechtzeitig abzubrechen. Meist nimmt der Chatverlauf für die jungen Menschen eine überraschende Wendung. Jugendliche brauchen dann einen Moment, um zu merken, was da gerade geschieht. Erwachsene Täter sind geübt darin, eine Beziehung herzustellen und subtilen Druck auf das minderjährige Gegenüber aufzubauen. Besonders beim Cybergrooming kommt diese Fähigkeit zum Tragen: Täter geben sich meist als Jugendliche aus, schaffen Nähe, schmeicheln sich durch Komplimente ein, schliessen Freundschaft und gestalten den Kontakt so, dass sich auch das Kind ein Treffen wünscht. Ein Treffen, von dem sich beide Seiten etwas ganz Unterschiedliches erhoffen und das in sexueller Gewalt und lähmender Enttäuschung enden kann.

Wie ist das für unsere Jugend? Wer noch ohne Internet aufgewachsen ist, kann sich schlecht vorstellen, wie sich das anfühlt, wenn sich ein vermeintlicher neuer Freund plötzlich als Belästiger herausstellt. Und das daheim am Bildschirm, im eigenen Zimmer. Oder wie es ist, wenn aus einer netten Unterhaltung plötzlich eine Erpressung mit Nacktbildern wird. Jüngere Kinder können von den Eltern im Internet begleitet werden. Aber grössere Jugendliche wollen alleine auf Entdeckungsreise gehen. Sie müssen für die Gefahren sensibilisiert werden und sie müssen ein offenes Ohr finden, wenn sie etwas Verstörendes erleben.

Sexuelle Belästigung von Kindern ist heute ein Antragsdelikt, das heisst, es wird nur strafrechtlich verfolgt, wenn eine Anzeige eingereicht wird. Kinderschutz Schweiz setzt sich dafür ein, dass sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen von Amtes wegen verfolgt wird. Anzeige zu erstatten ist eine hohe Hürde für eine jugendliche Person, die ziemlich geschockt ist von dem, was sie gerade erlebt hat. Cybergrooming ist bisher nur strafbar, wenn es zu einem Treffen kommt. Das gilt als Vorbereitung für sexuelle Handlungen mit einem Kind und kann entsprechend bestraft werden. Mit verdeckter Fahndung gelingt es der Polizei immer wieder, Cybergroomer am vereinbarten Treffpunkt zu verhaften. Wenn man aber das Ausmass des Problems und die Anzahl der Verurteilten vergleicht, wünscht man sich mehr Kapazitäten bei der Polizei, damit mehr verdeckte Fahndung möglich wäre. Keine erwachsene Person soll sich sicher fühlen, wenn sie sich in einem anonymen Chatroom mit unguten Absichten einem Kind nähert. Cybergrooming muss ein eigener Straftatbestand werden, damit bereits das Vorbereiten eines Treffens strafbar ist. Die Rechtskommission des Ständerates hat einen solchen Vorschlag im April in die Vernehmlassung gegeben. Wir werden sehen, ob dieser Vorschlag genügend politische Unterstützung erhält, um im Parlament zu bestehen. Es wäre sicher gut, wenn auch die Parlamentsmitglieder wieder einmal ins Kino gehen würden um sich auf die Entscheidungen vorzubereiten.

Dieser Text erschien in der Juli-Ausgabe von TopNews vom kaufmännischen Verband (Aargau)

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    Staat und Wirtschaft werden oft als Konkurrenten dargestellt. Doch beide brauchen einander und wir brauchen beides: einen starken Staat und eine prosperierende Wirtschaft! Als Nationalrätin setze ich mich dafür ein, dass Staat und Wirtschaft die Verantwortung dafür teilen, dass die Bevölkerung gut und selbstbestimmt leben kann. Der Staat soll Anreize für die Wirtschaft setzen, sich sozial und ökologisch zu engagieren. Die Wirtschaft ist aufgefordert, Krippen anzubieten, nachhaltig mit Ressourcen umzugehen, junge Menschen auszubilden, Teilzeitstellen zu schaffen, Stellen für sozial Schwächere anzubieten und Personen mit einem Handicap zu beschäftigen. Und zwar so, dass es für alle Beteiligten Sinn macht. Hier geht es zu meiner beruflichen Tätigkeit, der Einzelfirma FERI Mit-Wirkung.

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