Elternzeit – warum ein JA dafür?

Nachfolgend ein Text zur Elternzeit – es gilt das gesprochene Wort – Juni 2021
Als Präsidentin der Stiftung Kinderschutz Schweiz fiel es mir leicht, die Motion von Rosmarie Quadranti zu übernehmen. Die Gründe dafür seien hier auch gleich genannt: Laut der aktuellen Kinderschutzstatistik der Kinderspitäler betreffen fast ein Fünftel aller Kinderschutzfälle Kinder, die weniger als ein Jahr alt sind. Oftmals geht Gewalt gegen Kinder mit einer Überforderung und einer hohen Stressbelastung der Eltern einher. Da eine Elternzeit die Familien entlastet und Stress verhindern hilft, würde sie dazu beitragen, Kindsmisshandlungen in der ersten Lebensphase zu verhindern. Aus Sicht des Kindesschutzes spricht Weiteres dafür: Wenn Väter Elternzeit beziehen, führt dies nämlich dazu, dass sie sich in der frühen Kindheit stärker engagieren und eine höhere Erziehungskompetenz erlangen. Damit geht es den Vätern auch dann noch besser, wenn die Kinder schon grösser sind. In den ersten Monaten können starke Bindungen zwischen Eltern und Kind aufgebaut werden und diese haben positive Effekte auf das ganze Leben des Kindes. Vor rund drei Jahren diskutierten wir hier intensiv über den Vaterschaftsurlaub und dabei bereits auch über die Elternzeit. Trotz dem nun eingeführten zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub bleibt es dabei: Bei der Geburt eines Kindes behindert die heutige Gesetzgebung die Gleichstellung der Geschlechter im Erwerbsleben. Sie gibt nämlich vor, dass fast ausschliesslich die Mütter- und nicht beide Elternteile nach der Geburt eines Kindes bei der Arbeit ausfallen. Dieses Muster zieht sich dann weiter: Nur 10% aller Väter arbeiten Teilzeit, aber über 80% der arbeitenden Mütter. Ein Drittel der Frauen mit Kindern unter 15 Jahren fühlen sich durch die Betreuungsarbeit in ihrem Erwerbsleben eingeschränkt. Sie würden gerne mehr arbeiten, können diesen berechtigten Wunsch aber aus strukturellen Gründen nicht realisieren. Dies trotz der Tatsache, dass Paare immer stärker gewillt sind, Karriere und Care-Arbeit egalitärer aufzuteilen. Hier zeigt sich, dass die Weichen bereits ab Geburt anders gestellt werden müssen: Mit einer Elternzeit hin zu einer egalitäreren Rollenverteilung. Es fällt vielen Eltern schwer, nach dem 14-wöchigen Mutterschaftsurlaub ihren drei Monate alten Säugling in der Kindertagesstätte betreuen zu lassen. Dies sieht man etwa daran, dass die meisten der erwerbstätigen Frauen ihren Mutterschaftsurlaub durch unbezahlten Urlaub verlängern. Das geht dann auf Kosten der Karrierechancen und des Einkommens. Mit einer Elternzeit könnten beide Eltern sich die Betreuung teilen und für die Frauen würde der Wiedereinstieg ins Berufsleben deutlich vereinfacht. Davon hätten alle etwas. Eine Elternzeit hätte aber auch speziell für die Väter eine egalisierende Wirkung: Denn heute können sich nur einzelne, privilegierte Väter einen längeren, unbezahlten Vaterschaftsurlaub leisten. Alle anderen erhalten keine Chance, sich früh und mehr als bloss unterstützendend bei der Kinderbetreuung einzubringen. Dank der Vaterschaftsentschädigung als Teil der Elternzeit könnten sie früh Erziehungskompetenzen und eine starke Bindung zu ihrem Kind aufbauen sowie die Partnerin beim Widereinstieg in den Beruf unterstützen. Und die Kinder würden enorm von einem stressfreien und sicheren Start ins Leben profitieren. |
[1] Familien in der Schweiz, BFS 2021, S. 26